Viele Ehegatten nutzen die Möglichkeit, ein gemeinschaftliches Testament zu errichten. In den meisten Fällen wird der überlebende Ehegatte nach dem ersten Erbfall als Alleinerbe und die Kinder nach dem zweiten Erbfall als Schlusserben eingesetzt. Es kann jedoch zu Problemen kommen, wenn die testierenden Ehegatten keine ausdrückliche Regelung für den ersten Erbfall treffen. Fraglich ist, ob die gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten allein aufgrund der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments angenommen werden kann.

Was ist ein gemeinschaftliches Testament?

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) enthält in den §§ 2265ff. BGB besondere Regelungen zum gemeinschaftlichen Testament. Gemeinschaftliche Testamente können gem. § 2265 BGB nur von Eheleuten oder eingetragenen Lebenspartnern gem. § 10 IV LPartG errichtet werden.

Gemeinschaftlich ist ein Testament dann, wenn beide Eheleute mit einem gemeinsamen Entschluss über ihren Nachlass verfügen wollen und ihren letzten Willen auch gemeinschaftlich erklären. Es werden somit zwei letztwillige Verfügungen in einer Urkunde verkörpert. Das sogenannte „Berliner Testament“ gem. § 2269 BGB stellt den Klassiker der gemeinschaftlichen Testamente dar. Hier setzen sich die testierenden Ehegatten gegenseitig und einen Dritten zum Erben des überlebenden Ehegatten ein. In den meisten Fällen werden die gemeinsamen Kinder als Erben des überlebenden Ehegatten eingesetzt.

Was passiert, wenn das gemeinschaftliche Testament nur eine Regelung für den zweiten Erbfall enthält? 

Mit dieser Frage mussten sich auch die Richter des OLG München beschäftigen. In dem konkreten Sachverhalt errichteten die Eheleute ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie einen ihrer Söhne zu ihrem Alleinerben einsetzten und den anderen ausdrücklich enterbten. Darüber hinaus setzten sie ihr beider Ableben für die Gültigkeit des Testaments voraus. Die überlebende Ehegattin stellte nach dem Erbfall einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der bezeugt, dass sie aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments Alleinerbin des Erblassers geworden ist. Nach Ansicht der Ehegattin sei aus dem Gesamtzusammenhang des Testaments klar zu erkennen, dass sich die Ehegatten für den Tod des Erstversterbenden gegenseitig zu Alleinerben einsetzen wollen.

Diese Auffassung wurde vom OLG München jedoch nicht bestätigt. Laut Beschluss gab es keine ausdrückliche gegenseitige Erbeinsetzung im gemeinschaftlichen Testament der Ehegatten. Auch im Wege der individuellen Auslegung der letztwilligen Verfügung ließ sich keine gegenseitige Erbeinsetzung ermitteln. Für die Annahme der gegenseitigen Erbeinsetzung hätte diese im Testament zumindest angedeutet werden müssen. Anhaltspunkte für eine solche Annahme waren jedoch nicht ersichtlich. Im Umkehrschluss wurde in dem gemeinschaftlichen Testament nur die Erbfolge nach dem Ableben beider Ehegatten geregelt. Ein diesbezüglicher Testierwille ließ sich auf den Abschlussvermerk der Ehegatten stützen, dass das Testament nur gelte, wenn beide verstorben sein.

Somit trat nun nach dem ersten Erbfall die gesetzliche Erbfolge ein. Unschädlich ist, dass die Ehegatten keine Kenntnis bezüglich des Eintritts der gesetzlichen Erbfolge hatten. Es kommt nicht darauf an, ob ein Erblasser diese Rechtsfolge gewollt hat. Die gesetzliche Erbfolge tritt kraft Gesetzes ein und beruht nicht auf einem Willen des Erblassers. 

Folglich ist die Ehegattin nach dem ersten Erbfall nicht Alleinerbin ihres verstorbenen Mannes geworden. Sie wurde zusammen mit ihren beiden Söhnen gesetzliche Erbin. Die von den Ehegatten für den zweiten Erbfall getroffenen Anordnungen sind mittels § 2105 I BGB umsetzbar. Somit wird der ursprünglich enterbte Sohn nach dem ersten Erbfall zunächst beschränkter Vorerbe. Nach dem zweiten Erbfall ist er dazu verpflichtet, dass gesamte Nachlassvermögen an seinen Bruder herauszugeben. Auf diesem Wege werden die gemeinsamen Anordnungen der Ehegatten verwirklicht. 

Den Beschluss des OLG München finden Sie unter folgendem Link.

Fazit

Der Beschluss des OLG München zeigt, dass die gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten nicht allein aufgrund der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments angenommen werden kann. Dies bedarf entweder einer ausdrücklichen Anordnung oder Andeutung im gemeinschaftlichen Testament. Fehlt es hieran, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft, auch wenn diese nicht beabsichtigt worden ist.

Haben Sie noch weitere Fragen zu diesem oder einem anderen erbrechtlichen Thema? Dann vereinbaren Sie gern einen Termin für Ihre Erstberatung. Als Fachanwälte auf dem Gebiet des Erbrechts beraten wir Sie gern. 

1 Antwort
  1. Gettmann-Becker
    Gettmann-Becker sagte:

    Dies Urteil trägt zum Mißtrauen gegen geltendes Recht bei, für Laien ist nicht erkennbar, warum ein gemeinsam formulierter und schriftlich als Testament niedergelegter Wille richterlichen Ansprüchen nicht genügt, sondern einer allgemein verfassten rechtlichen Bestimmung unterzuordnen ist und damit gleichzeitig die Absicht der Erblasser konterkariert. Auch bei der Hinterlegung des Testaments wird auf solche Probleme nicht hingewiesen.
    Fazit: Testamente sollten nur durch Notare und über sie verfasst werden. Sehr kostenträchtig, wenn Immobilien im Spiel.

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.