Das Bürgerliche Gesetzbuch stammt aus dem Jahre 1900. So erstaunt es wenig, dass es keine Regelungen zu einer sogenannten Patchworkfamilie vorsieht. Dies kann in der heutigen Zeit, in der es immer mehr solche Formen des Zusammenlebens gibt, vor allem im Erbrecht in Bezug auf die gesetzliche Erbfolge zu Problemen führen.

Die gesetzliche Erbfolge ist immer dann einschlägig, wenn eine gewillkürte Erbfolge, zum Beispiel durch ein Testament oder einen Erbvertrag, nicht getroffen wurde   (§ 1937 BGB). Nach der gesetzlichen Erbfolge erben, wenn vorhanden, zunächst die gesetzlichen Erben erster Ordnung (§ 1924 BGB). Dies sind die Kinder des Erblassers. Neben den Kindern erbt überdies der überlebende Ehegatte zu einem Viertel, wobei sich dieser Anteil im Rahmen des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft um ein weiteres Viertel auf eine Hälfte erhöht.

Unter Annahme des „klassischen“ Familienbildes, welches der Gesetzgeber im Jahre 1900 zugrunde gelegt hat, führt die gesetzliche Erbfolge hauptsächlich zu befriedigenden und vor allem einheitlichen Ergebnissen.

Zur Verdeutlichung lässt sich folgendes Beispiel nennen:

Marie und Volker sind verheiratet, leben im gesetzlichen Güterstand und haben zwei gemeinsame Kinder, Christina und Daniel. Eine Verfügung von Todes wegen hat das Ehepaar nicht errichtet. Marie verstirbt nun. Das Gesetz sieht in diesem Fall vor, dass Ehegatte Volker eine Hälfte von Maries Vermögen erbt. Die andere Hälfte teilt sich zwischen Christina und Daniel auf, sodass die Kinder jeweils ein Viertel erben. Stirbt in der Folgezeit auch Volker, beerben Christina und Daniel diesen je hälftig. Zu seinem Vermögen zählt nunmehr auch sein Anteil an Maries Nachlass, sodass der von Volker ererbte Nachlass der Ehefrau letztendlich auch auf die Kinder übergeht. Gleiches gilt, wenn nicht Marie, sondern Volker zuerst verstirbt.

Nun folgt ein Fallbeispiel aus einer Patchworkfamilie:

Anna und Bert sind verheiratet und leben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Sowohl Anna als auch Bert haben ein Vermögen in Höhe von 10.000 €. Die Beiden waren zuvor bereits verheiratet und bringen jeweils ein Kind mit in die gemeinsame Ehe. Christoph ist Annas Sohn und Donna die Tochter von Bert. Auch in diesem Beispiel haben Anna und Bert keine gewillkürte Erbfolge getroffen. Nun verstirbt Anna. Folglich erbt Bert als Ehegatte die Hälfte (5000 €), sodass sich sein Vermögen derweil auf 15.000 € beziffern lässt. Annas einziger Abkömmling, Christoph, erbt gleichfalls eine Hälfte (5000 €). Da es sich bei Donna nicht um Annas Kind handelt, erhält diese nach der gesetzlich normierten Erbfolge nichts. So weit, so gut… Nach Annas Tod verstirbt nun auch Bert. Donna ist Berts einzige gesetzliche Erbin, denn der Ehegatte ist vorverstorben und Christoph ist nicht Berts Abkömmling. Daraus folgt, dass dessen Nachlass in Höhe von 15.000 € gänzlich auf Donna übergeht. Zu beachten ist dabei jedoch, dass 5000 € aus Annas ursprünglichem Vermögen stammen. Im Ergebnis erbt Christoph mithin ein Vermögen von 5000 € und Donna erbt 15000 €.

Die Diskrepanz ist offensichtlich!

Sollte die gesetzliche Erbfolge bei einer Patchworkfamilie im Einzelfall zu unerwünschten Ergebnissen führen, besteht jederzeit die Möglichkeit, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten. So können Anna und Bert in einem wirksamen (eventuell gemeinschaftlichen) Testament festlegen, ob und zu welchen Anteilen Christoph und Donna erben sollen. Diese gewillkürte Erbfolge geht der gesetzlichen Erbfolge vor, welche damit nicht mehr eintritt.

 

Haben Sie noch weitere Fragen zu diesem oder einem anderen erbrechtlichen Thema? Gerne helfen wir Ihnen bei der Gestaltung Ihrer Verfügung von Todes wegen. Informieren Sie sich hier: Nachfolgeplanung.

3 Kommentare
  1. Fußspur
    Fußspur sagte:

    Danke auch für diesen kurzen und doch klaren Beitrag zum Thema Erbrecht. Ich frage mich, ob ich einen Anwalt Erbrecht oder Notar Erbrecht einschalten sollte, aber im Netz finde ich doch glücklicherweise immer wieder solche hilfreichen Beiträge.

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  2. Blueberry2021
    Blueberry2021 sagte:

    Hallo Frau Langkabel,

    vielen lieben Dank für den informativen Beitrag zur Erbfolge! Das von Ihnen gewählte Fallbeispiel ist wirklich sehr anschaulich – lieben Dank dafür; das Thema ist sicherlich kein leichtes.

    Viele Grüsse

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