Es gibt einige Gründe, eine Erbschaft auszuschlagen. Beispielsweise die Überschuldung des Nachlasses oder um die Erbschaft einem anderen zukommen zu lassen. Daran wird die Erwartung geknüpft, sich von dem Erbe in seiner Gesamtheit zu distanzieren und absolut nichts mehr aus dem Nachlass zu erhalten.

Anders sieht das der eindeutige Wortlaut der Vorschrift § 2306 Abs. 1 BGB vor:

Hiernach behält ein Pflichtteilsberechtigter, der mit einem beschränkten oder belasteten Erbe bedacht wurde, trotz Ausschlagung seinen Pflichtteilsanspruch. Dies ist zum Beispeil in der Konstellation eines Vor- und Nacherben denkbar.

Was ist aber, wenn Sie das beschränkte oder belastete Erbe annehmen, ohne § 2306 Abs. 1 BGB zu kennen und annehmen, dass Sie bei einer Ausschlagung leer ausgehen? Besonders ärgerlich ist dies dann, wenn die Ausschlagungsfrist abläuft.

Glücklicherweise zeigte sich der BGH mit seinem Urteil vom 29.06.2016 zum Az. IV ZR 387/15 verständig.

In dem zu entscheidenden Fall erbte die Klägerin im Rahmen eines Vorausvermächtnisses einen Teil eines Hausgrundstücks. Dieser Teil wurde wiederum zugunsten der Beklagten mit 15.000 € belastet.

Die Beklagte dachte, sie sei vom Erbe vollumfänglich ausgeschlossen, inklusive ihres Pflichtteils, wenn sie es ausschlage. In diesem Glauben ließ sie die zunächst geltende Ausschlagungsfrist von sechs Wochen verstreichen.

Nachdem die Beklagte erfuhr, dass sie nach § 2306 Abs. 1 BGB das Erbe auch unter Wahrung des Anspruchs auf den Pflichtteil hätte ausschlagen können, fochte sie aufgrund ihres Irrtums die Versäumung der Ausschlagungsfrist an und schlug das Erbe aus.

Mit Erfolg.

Der BGH erkannte, dass die Beklagte einem sog. Inhaltsirrtum unterlag. Ein solcher könne zwar bzgl. seiner rechtlichen Wirkungen nur relevant sein, wenn die Folgen wesentlich anders sind, als beabsichtigt. Dieser Anforderung genüge der Irrtum der Beklagten jedoch.
Der Regelungsgehalt des § 2306 Abs. 1 BGB stünde gerade im Gegensatz zu dem sonst geltenden Grundsatz, dass die Ausschlagung
zum Verlust des der Erbansprüche führt.

Diese Entscheidung ist sehr erfreulich. Dadurch lässt sich der BGH auf die Erbrechtsrealität ein und verzeiht Fehler, wie sie im Alltag eines Rechtsunkundigen zuweilen vorkommen können.

Selbstverständlich ist dennoch sorgfältig abzuwägen, ob es sinnvoll ist, ein Erbe auszuschlagen oder anzunehmen. Nicht in jeder Konstellation besteht ein Pflichtteilsanspruch trotz einerAusschlagung. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass mit der Ausschlagung sämtliche Ansprüche anlässlich des Todes des Erblassers – einschließlich eines Pflichtteilsanspruches – ausgeschlossen sind.

Wenn Sie Fragen haben oder an einer individuellen Beratung zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Ausschlagung interessiert sind, kontaktieren Sie uns gerne.

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