Obwohl sie bereits vor 8 Jahren in Kraft getreten ist, kann kaum ein juristischer Laie etwas mit ihr anfangen. Die Rede ist von der Europäischen Erbrechtsverordnung oder kurz der „EuErbVO“. Möglicherweise hängt die Unbeliebtheit dieser Verordnung mit ihrer scheinbar schwierigen Thematik zusammen. Die EuErbVO befasst sich nämlich mit dem sogenannten „Internationalen Erbrecht. Die Begriffe „EuErbVO“ und „Internationales Erbrecht“ sind aufgrund ihrer medialen Präsenz den allermeisten Erben und Testierenden bekannt. Was sich genau hinter diesen Begriffen verbirgt, weiß jedoch kaum ein betroffener Erbe oder Testierender.

Die Anzahl der grenzüberschreitenden Erbfälle steigt von Jahr zu Jahr, weswegen das internationale Erbrecht immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die Gründe hierfür liegen in der Globalisierung und dem grenzüberschreitenden Lebensstil des 21. Jahrhunderts. In diesem Zusammenhang ist es umso wichtiger die Grundsätze des internationalen Erbrechts und der EuErbVO zu kennen.

Internationales Erbrecht

Internationales Erbrecht befasst sich mit grenzüberschreitenden Erbfällen. Dies sind Erbfälle mit Auslandsbezug und Kontakt zu mehreren Rechtsordnungen unterschiedlicher Länder. Ein grenzüberschreitender Erbfall kann schneller entstehen, als zunächst erwartet. Die möglichen Konstellationen sind vielfältig. Ein grenzüberschreitender Erbfall kann beispielsweise dann entstehen, wenn der Erblasser bis zu seinem Lebensende nicht in seinem Herkunftsland lebt, er mehrere Vermögenswerte in unterschiedlichen Ländern hinterlässt oder die Erben im Ausland leben. In all diesen Konstellationen fragen sich die Juristen, welche Rechtsordnung zur Anwendung kommt.

Bei Erbfällen mit Auslandsbezug kollidieren unterschiedliche Rechtsordnungen miteinander. Um derartige Konflikte zu lösen, enthält jede Rechtsordnung Kollisionsnormen. Dies sind Normen, die bei einem Sachverhalt mit Auslandsbezug diejenige Rechtsordnung berufen, die auf den konkreten Sachverhalt anzuwenden ist. Mit anderen Worten verweist eine Kollisionsnorm auf das anwendbare Recht. Für die Bestimmung des anwendbaren Rechts ist der sogenannte Anknüpfungspunkt maßgeblich. Dieser ist grundsätzlich in jeder Kollisionsnorm enthalten.

Im Erbrecht sind unterschiedliche Anknüpfungspunkte denkbar. Zum einen könnte man stets auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers abstellen. Dann würde für deutsche Staatsangehörige immer das deutsche Erbrecht maßgeblich sein. Zum anderen könnte man aber auch auf den letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers oder auf den Belegenheitsort von Immobilien abstellen. Demnach würde beispielsweise spanisches Erbrecht zur Anwendung kommen, wenn ein deutscher Staatsangehöriger bis zu seinem Lebensende auf Mallorca lebt und Eigentümer einer Finca gewesen ist.

Problematisch ist nun jedoch, dass Kollisionsnormen unterschiedlicher Rechtsordnungen nicht immer dieselben Anknüpfungspunkte haben. Wenn es viele unterschiedliche Anknüpfungspunkte gibt, entsteht die Gefahr der Nachlassspaltung. Dies hat zur Folge, dass der Nachlass gestückelt wird und einzelne Vermögenswerte nach unterschiedlichen Rechtsordnungen beurteilt werden. Um die Zerstückelung rechtlicher Sachverhalte zu verhindern, wurde die Europäische Erbrechtsverordnung erlassen.

Was regelt die Europäische Erbrechtsverordnung? 

Die EuErbVO ist im Jahre 2012 in Kraft getreten und regelt das Erbkollisionsrecht. Sie verweist auf das Recht, welches auf einen internationalen Erbfall Anwendung findet und welches Gericht international zuständig ist. Des Weiteren enthält sie Regelungen in Bezug auf die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urkunden und Regelungen zum europäischen Nachlasszeugnis. Durch die EuErbVO wird die Zerstückelung erbrechtlicher Sachverhalte vermieden und die Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle vereinfacht.

Der maßgebliche Anknüpfungspunkt der EuErbVO ist der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes gem. Art. 21 I EuErbVO. Nach ihm richtet sich die Zuständigkeit des Gerichts und die anzuwendende Rechtsordnung. Auf diesem Wege soll erreicht werden, dass die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen nach der Rechtsordnung geregelt wird, zu der der Erblasser im Zeitpunkt des Todes die engste Verbindung hatte. Die Bestimmung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und kann nicht pauschalisiert werden.

Der letzte gewöhnliche Aufenthaltsort ist nicht in allen Fällen maßgeblich. Es besteht auch die Möglichkeit einer Rechtswahl des Erblassers gem. Art. 22 EuErbVO, sein Heimatrecht als anzuwendendes Recht zu wählen. Außerdem kann es teilweise zu einer Anwendung des Belegenheitsrechts gem. Art. 30 EuErbVO kommen.

Aus zeitlicher Sicht gilt die EuErbVO für grenzüberschreitende Erbfälle ab dem 17.08.2015 in allen EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Dänemarks, Irlands und des Vereinigten Königreichs. Für Erbfälle vor dem 17.08.2015 findet Art. 25 EGBGB oder ein anderer völkerrechtlicher Vertrag Anwendung.

Haben Sie noch Fragen zu der Europäischen Erbrechtsverordnung oder einem anderen erbrechtlichen Thema? Dann vereinbaren Sie gern einen Termin für Ihre Erstberatung. Als Fachanwälte auf dem Gebiet des Erbrechts stehen wir Ihnen auch bei grenzüberschreitenden Erbfällen gern zur Verfügung.

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