Gastbeitrag zum Thema Digitaler Nachlass
Einen Nachlass zu regeln,
…ist eine schwierige Sache.
Das gilt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Die technische Entwicklung der letzten Jahre hat dies nicht einfacher, sondern noch komplizierter gemacht.
> Heute beschränken sich die Spuren eines Menschen nicht mehr etwa auf Häuser, Wertpapiere, Bücher oder Briefe. Vielmehr findet ein immer größerer Teil des Lebens im digitalen Raum statt. Auch hier hinterlässt der Mensch einen unauslöschlichen Fußabdruck. Fast jeder hat etwa eine E-Mail Adresse, ein ebay-Konto oder ist Mitglied in einem sozialen Netzwerk. Man kauft heute E-Books und lädt sich die Telefonrechnung aus dem Internet herunter.
Der „digitale Nachlass“ ist deswegen als Begriff weit zu definieren und umfasst sehr viele unterschiedliche Elemente. Er betrifft z.B. die Vertragsbeziehungen zu unterschiedlichen Dienstanbietern, Rechte an Internetseiten, Urheberrechte an Youtube-Videos und Forenbeiträgen, Eigentums- und Nutzungsrechte an Hard- und Software und vieles mehr. Neben dem Erbrecht werden plötzlich u.a. das Immaterialgüterrecht, das Telemediengesetz, das Datenschutzrecht oder das postmortale Persönlichkeitsrecht interessant. Daneben drängt sich das internationale Privatrecht auf. Denn häufig sind die Dienstanbieter keine deutschen Unternehmen und es wird typischerweise ein fremdes Sachrecht gewählt (ob das so einfach funktioniert, steht auf einem anderen Blatt). Rechtlich ist hier vieles (das meiste) noch nicht höchstrichterlich geklärt und auch in der Wissenschaft noch wenig bearbeitet. Deshalb ist eine Rechtsberatung kompliziert und mit Unsicherheiten verbunden.
> Dem Erblasser und den Dienstanbietern stellen sich neben rechtlichen Fragen häufig auch tatsächliche Schwierigkeiten. Wie etwa sollen die Erben nachweisen, dass die unter einem Pseudonym eingerichtete E-Mail Adresse dem Erblasser zugeordnet war?
Diese Problemlage ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass die Dienstanbieter noch sehr unterschiedlich mit dem Themenkreis umgehen. Die Regelungen – sofern überhaupt vorhanden – sind oft sehr vage. Vielfach werden Konten nach einer gewissen Inaktivitätszeit einfach gelöscht.
Es ist überaus sinnvoll, dem Thema unmittelbar beim Vertragsschluss einen angemessenen Rahmen zu setzen. So lassen sich viele Klippen umschiffen. Das kann praktisch nur über AGB geschehen. Richtigerweise müssen sich diese immer am deutschen AGB-Recht messen lassen.
> Die zentrale Frage aber bleibt: Wie funktioniert die Erbfolge ohne vorherige Regelung? Häufig wird es nämlich keine geben und nur so lässt sich das gesetzliche Leitbild feststellen. Dieses wiederum ist für die AGB-Prüfung relevant.
Man muss sich also etwa fragen, wer der Rechtsnachfolger der Inhalte des „digitalen Nachlasses“ ist? Der Erbe oder der nächste Angehörige? Darf der Erbe auf die Inhalte zugreifen, wenn er die faktische Möglichkeit dazu hat und muss ihm der Dienstanbieter diese Möglichkeit überhaupt zwingend einräumen?
Diese Fragen sind nicht trivial und ihre Antworten durchaus umstritten. Richtigerweise gilt auch für den „digitalen Nachlass“ die Universalsukzession nach § 1922 BGB. Dessen Wortlaut hat daran Zweifel aufkommen lassen, denn es geht das „Vermögen als Ganzes auf eine (…) andere Person über“. In der Literatur wird mit Verweis auf die Rechtsfigur des postmortalen Persönlichkeitsrecht vertreten, die nicht vermögenswerten Bestandteile seien damit den nächsten Angehörigen zugewiesen. Dieser Gedanke wurde mit der „Infektionstheorie“ auf die Spitze getrieben. Sei auch das postmortale Persönlichkeitsrecht durch Inhalte betroffen, müsse den Erben der Zugriff – etwa auf ein E-Mail Postfach – verweigert werden.
Letztlich lässt sich diese Ansicht dogmatisch nur schwer überzeugend begründen. Richtig ist: Der Erbe tritt im Wege der Universalsukzession in alle Vertragsbeziehungen des Erblassers ein und auf ihn gehen alle vererblichen Rechte über. Danach hat er die gleiche Position wie der Erblasser vor ihm. Fehlt ihm ein Passwort, muss ihm der Dienstanbieter z.B. die Möglichkeit geben, dieses Passwort zurückzusetzen. Das widerspricht auch nicht dem Datenschutzrecht.
Im Einzelnen ist die rechtliche Situation freilich sehr viel komplizierter. Mit genug Mühe kann man aber auch für dieses Querschnittsproblem angemessene Lösungen finden.
Sie lasen einen Gastbeitrag von:
Rechtsanwalt Lars C. Cornels
Lübeck