Bereits Friedemann Schulz von Thun stellte in seinem Vier-Ohren-Modell fest: Eine Aussage kann mehr als nur eine Bedeutung haben. Vor allem in den Ohren des Empfängers.

Dabei erkannte er ferner, wie konfliktanfällig menschliche Kommunikation ist.

Die Formulierungen im Rahmen eines Testaments sind nicht weniger streitanfällig. Hier kommt erschwerend hinzu, dass meistens kein Dialog mehr zur Auflösung von Missverständnissen stattfinden kann.

Auch der Umstand, dass Testamente oft lange vor dem Erbfall errichtet wurden, hilft beim Nachvollziehen des testamentarischen Willens nicht.

Die Unklarheiten, die mit Testamentsformulierungen einhergehen, sind des Erbrechts älteste Bekannte. Um mit ihnen souverän umgehen zu können, wurden einige Methoden zur Auslegung entwickelt.

 

Keine Begrenzung durch Testamentswortlaut

Dabei gilt nach § 133 BGB als erste Regel: Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Wenn der Erblasser beispielsweise formuliert: „Und die Flaschen bekommen nichts!“, so möchte er womöglich seine Abkömmlinge von der gesetzlichen Erbfolge ausnehmen und nicht die Flaschen seiner Weinsammlung.

Auch notarielle Testamente, die aufgrund der damit einhergehenden Beratung zumeist wohlformulierter sind, sind davon nicht ausgenommen. Sie sind der Auslegung über den Wortlaut hinaus zugänglich. Allerdings haben sie eine höhere Indizwirkung für die Richtigkeit des darin verwendeten Wortlauts.

 

Äußerungen des Erblassers

Mündliche Äußerungen des Erblassers zu Lebzeiten können in die Auslegung ebenfalls Eingang finden. Hierfür müssen sich jedoch Zeugen finden, wenn jemand aus diesem Auslegungsergebnis Vorteile für sich ziehen möchte.

 

Greifbare Auslegungshilfen

Sogenannte „fassbare“ Auslegungshilfen sind außerhalb der Testamentsurkunde liegende, vom Erblasser stammende Schriftstücke, frühere Testamentsentwürfe oder sogar widerrufene und nichtige Testamente.

 

Nicht greifbare Auslegungshilfen

Nicht fassbare Auslegungshilfen sind solche Umstände, die ebenfalls außerhalb der Testamentsurkunde liegen, jedoch nicht greifbar sind. Die Herkunft und Zusammensetzung des Vermögens des Erblassers kann einen solchen Hinweis geben, wenn dieses beispielsweise aus der eigenen Familie stammt und in dieser verbleiben soll.

Für die Verwertbarkeit derartiger Umstände, die außerhalb des eigentlichen Testaments liegen, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die sogenannte Andeutungstheorie entwickelt. Nach dieser müssen sämtliche den Testamentsinhalt ergänzende oder verdeutlichende Umstände im vorliegenden Testament zumindest angedeutet worden sein. Hierbei ist der Maßstab an eine solche andeutende Wiedergabe allerdings nicht zu hoch anzusetzen. Vielmehr darf die außerhalb des Testaments liegende Tatsache oder das Indiz dem Testamentsinhalt nicht völlig fremd sein. Ob in einem Testament ein außerhalb dieses gefundener Umstand angedeutet ist, ist wiederum eine Frage der Interpretation bzw. Argumentation des Einzelfalles.

Hinzu kommen zahlreiche normierte Auslegungshilfen für Details; zum Beispiel für die gerne verwendeten Worte „vererben“, „als Erben einsetzen“ und „vermachen“. Diese Ausdrücke werden oft nicht im exakten juristischen Sinn gebraucht, sodass Zweifel entstehen, ob eine Erbeinsetzung oder eine Vermächtniszuwendung gemeint ist.

An dieser Stelle kommt § 2087 Abs. 1 BGB ins Spiel. Hiernach ist im Zweifel, also wenn sich keine anderen Anhaltspunkte ergeben, von einer Erbeinsetzung auszugehen. Auch, wenn der Bedachte im Testament nicht als Erbe bezeichnet wurde.

Etwas anderes gilt nach § 2087 Abs. 2 BGB, wenn ein einzelner Gegenstand zugewendet werden soll. Dann wird von einem Vermächtnis i.S.d. § 1939 BGB ausgegangen.

Es lassen sich im BGB noch weitere zahlreiche Auslegungsregeln finden, die insbesondere Unklarheiten über die Person des Bedachten (§§ 2066 ff. BGB) oder solche über die Höhe der Erbteile (§§ 2088 ff. BGB) ausräumen können.

Es sei jedoch verraten: Für die Erben ist es erfreulicher, nicht allzu viel grübeln zu müssen.

Vor diesem Hintergrund nehmen wir uns gerne der Aufgabe an, mit Ihnen Ihr Testament zu errichten, um im Erbfall den Weg für ein reibungsloses Verfahren zu ebnen. Auch auf Seiten der Erben sind wir gerne beratend tätig und stellen unsere Erfahrung zur Verfügung. Nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf, um einen Erstberatungstermin zu vereinbaren.

3 Kommentare
  1. Martin Lobinger
    Martin Lobinger sagte:

    Gut zu wissen, dass bei der Auslegung eines Testaments der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Mein Opa möchte ein Testament verfassen. Er freut sich, dass nach seinem Tod sein tatsächlicher Wille ermittelt wird.

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  2. Maria Schwarz
    Maria Schwarz sagte:

    Vielen Dank für den Blog über die Auslegung von Testamenten. Gut zu wissen, dass ein lange vor dem Erbfall errichteten Testament nicht beim Nachvollziehen des testamentarischen Willens hilft. Bei Unklarheiten oder einem daraus entstehenden juristischen Problems kann ich nur einen Notar empfehlen, weil dieser sich immer jeden Fall persönlich und fachgerecht annimmt.

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  3. Tyler Padleton
    Tyler Padleton sagte:

    Vielen Dank für diesen informativen Beitrag über die Auslegung von Testamenten. Ein Freund von mir und seine Geschwister bekommen demnächst das Testament ihres Vaters vorgetragen. Der Freund kennt sich natürlich nicht gut mit Erbrecht aus und wollte sich deshalb vorab ein wenig informieren. Interessant, dass bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist.

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