Eltern und Kinder sind einander Beistand und Rücksicht schuldig. Das sagt jedenfalls § 1618a BGB. Doch meistens bedarf es der Kenntnis dieser Norm nicht, um ihre Aussage umzusetzen. Es ist vielmals ein Selbstverständnis, nach dem viele Familien leben.

Gerade wenn Eltern älter werden, wird sichtbar wie wichtig familiärer Beistand ist. Sobald ein oder beide Elternteile pflegebedürftig werden, reicht die staatliche Unterstützung sowohl in sozialer als auch in materieller Hinsicht nicht aus. An dieser Stelle ist der Einsatz der Kinder gefragt, der mit finanziellen Belastungen einhergeht.

Insofern ist es im Erbfalle schwer nachvollziehbar, wenn Pflegefreibeträge im Rahmen der Erbschaftssteuer nicht berücksichtigt werden sollen.

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 des Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetzes (ErbStG) bleibt ein steuerpflichtiger Erwerb bis zu 20.000.- Euro steuerfrei, der Personen anfällt, die dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt haben, soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist. Dies ist der sogenannte „Pflegefreibetrag“.

Ein Finanzamt in Niedersachsen sah diesen Tatbestand als nicht anwendbar an, wenn die Kinder und Erben die Pflege übernommen haben. Dies begründete das Finanzamt damit, dass die Kinder nach den §§ 1601 ff. BGB ohnehin gesetzlich unterhaltsverpflichtet seien.

Das Finanzgericht sah dies anders – und bekam im Rahmen einer Revision am 10.05.2017 die Bestätigung durch den BFH in seinem Urteil zum Az.: II R 37/15.

Diesen Entscheidungen lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin war Miterbin ihrer im August 2012 verstorbenen Mutter. Zum Nachlass der Mutter gehörten u.A. Bankguthaben von über 750.000,- Euro. Im Jahr 2001 wurde die Mutter pflegebedürftig. Die Klägerin nahm ihre Mutter daraufhin bei sich auf und übernahm auf eigne Kosten ihre Pflege. Ab November 2001 hatte die Pflegekasse der Mutter Pflegegeld nach der Pflegestufe III von bis zu 700,- Euro pro Monat gewährt.

Nachdem die Mutter verstarb, setzte das Finanzamt gegen die Klägerin mit Bescheid vom Oktober 2013 Erbschaftsteuer in Höhe von 4.865 Euro fest. Der Einspruch mit dem die Klägerin die Berücksichtigung eines Freibetrages gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG in Höhe von 20.000 begehrte, blieb ohne Erfolg.

Die Gerichte sahen es als notwendig an, § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG weit zu verstehen. Es entspräche damit dem Sinn und Zweck der Norm, die ein freiwilliges Opfer der pflegenden Person honorieren bzw. Pflegeleistungen außerhalb vertraglicher oder gesetzlicher Bestimmungen begünstigen soll.

Dies stünde auch im Einklang mit der Entstehungsgeschichte der Norm. Der Freibetrag sei durch das Erbschaftsteuerreformgesetz von 5.200,- Euro auf 20.000,- Euro erhöht worden und damit fast vervierfacht. Dadurch solle die steuerliche Berücksichtigung von Pflegeleistungen, die gegenüber dem Erblasser erbracht worden sind, verbessert werden. Da Pflegeleistungen üblicherweise innerhalb der Familie, insbesondere zwischen Kindern und Eltern erbracht würden, liefe die Freibetragsregelung bei Ausschluss dieses Personenkreises nahezu ins Leere.

Da der Charakter von Pflegeleistungen höchstpersönlich und eine Vollstreckung in diesem Bereich ausgeschlossen sei, handele es sich hierbei um eine andere Leistung, als die Unterhaltspflicht nach den §§ 1601 ff. BGB.

Die Feststellungen, die die Gerichte trafen, sind für die Pflegesituation in Deutschland förderlich. So bleibt es finanziell nicht vollkommen unattraktiv Pflegeleistungen zu erbringen. Außerdem hebt es hervor, dass Pflegeleistungen eben gerade Leistungen sind und einer Wertschätzung bedürfen.

Kommen Sie gerne auf uns zu, wenn Sie erbschaftsteuerrechtliche Fragen haben. Wir beraten Sie sowohl in der Position des Erben als auch des Erblassers im Hinblick auf eine steueroptimierte Vermögensnachfolge. Vereinbaren Sie mit uns hierzu gerne einen Erstberatungstermin.

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