Dass Geschwister vor Cousins und Cousinen erbberechtigt sind, ist einleuchtend. Das Erbrecht sieht immerhin vor, die näher vor den ferner verwandten Personen erben zu lassen.
Ganz so offensichtlich ist es jedoch nicht, wenn der Bruder ein Halbbruder ist – und noch nicht einmal ohne weiteres die Eigenschaft als Halbbruder festgestellt werden kann.

Mit einer solch spannenden Familiengeschichte durfte sich der BGH am 27.10.2016 zum Az.: I – 3 WX 294/15 auseinandersetzen.

Der Erblasser wurde 1944 geboren. Er trug zunächst den Namen seiner Mutter. Einen Monat nach seiner Geburt heiratete die Mutter. Das zuständige Amtsgericht stellte durch Beschluss fest, dass der Sohn mit dieser Eheschließung ehelich geworden sei. Dies wurde auch durch einen Randvermerk in der Geburtsurkunde dokumentiert. Rechtlich bestand dadurch ein Vater-Sohn-Verhältnis. Seither führte der Erblasser den Namen des Angeheirateten.
Leider hielt die Ehe nur bis 1949. Nach der Scheidung heiratete die Mutter erneut 1950. Der neue Ehegatte adoptierte den damals 14-jährigen Sohn 1958, sodass er den Namen seines neuen Vaters annahm. Auch dies wurde in der Geburtsurkunde vermerkt.

Der Erblasser verstarb einige Jahre später unverheiratet und kinderlos.

Um den Nachlass des Erblassers stritten sich nun eine Cousine des Erblassers – mütterlicherseits und sein Halbbruder. Die Existenz des Halbbruders stellte sich erst im Verlauf des Erbscheinsverfahrens heraus: Es gab zwei weitere Kinder des Mannes aus erster Ehe von 1944, den Halbbruder und eine Halbschwester, die das Erbe ausgeschlagen hatte.
Die Cousine beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der sie und weitere Cousins mütterlicherseits als Miterben ausweisen sollte.
Der Halbbruder beantragte ebenfalls einen Erbschein – der ihn allerdings als Alleinerben ausweisen sollte.

Das Nachlassgericht wies den Antrag der Cousine letztlich zurück. Dieser Ansicht waren auch die weiteren Instanzen – zu der auch der BGH gehörte.

Der BGH schloss sich dabei den Ausführungen des Halbbruders an:
Die Cousine hatte angeführt, der leibliche Vater des Erblassers sei ein namentlich nicht bekannter sowjetischer Soldat, was durch eine DNA-Analyse überprüft werden sollte.
Dem wurde vom Halbbruder jedoch entgegengesetzt, dass es ohne Belang sei, wer der leibliche Vater des Erblassers gewesen sei.

Maßgeblich sei allein die sich aus der Geburtsurkunde ergebende rechtliche Vaterschaft und diese resultiere aus dem Randvermerk der Geburtsurkunde.

Dieses Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Halbbruder sei nicht infolge der Adoption des Erblassers durch den zweiten Ehemann erloschen. Zwar erlöschen gem. § 1755 BGB mit der Annahme eines Minderjährigen als Kind die Verwandtschaftsverhältnisse des Kindes zu den bisherigen Verwandten.

Danach wären mit der Adoption auch mögliche Erbschaftsansprüche von Halbgeschwistern des Erblassers erloschen.

Etwas anderes ergebe sich hingegen für den vorliegenden Fall aus Art. 12 § 1 Abs. 1 Adoptionsgesetz. Danach würden bei Adoptierten, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Adoptionsrechts (1. Januar 1977) volljährig sind, auf das Annahmeverhältnis die Vorschriften dieses Gesetzes über die Annahme Volljähriger angewandt. In der Folge gelte dann § 1770 Abs. 2 BGB, wonach die Rechte und Pflichten aus dem Verwandtschaftsverhältnis des Angenommenen durch die Annahme nicht berührt werden.

Dies bedeute, nach dieser Vorschrift blieben die Verwandtschaftsbeziehungen des Angenommenen zu seinen bisherigen Verwandten erhalten, sodass die Adoption Erbansprüchen der Verwandten bei Versterben des Angenommenen nicht entgegenstünde.

Die Eigenschaft als Halbbruder folge aus § 1592 Nr. 2 BGB, wonach Vater eines Kindes der Mann ist, der die Vaterschaft anerkannt hat.
In der Folge sei der Halbbruder Erbe zweiter Ordnung. Ein Verwandter in höherer Ordnung und daher näherer Verwandter existiere nicht, sodass er Alleinerbe sei.

Diese Entscheidung ist vor allem für den Halbbruder erfreulich. Darüber hinaus ist die konsequente Rechtsanwendung für die Rechtssicherheit selbstverständlich ein Gewinn: Es wurden strikt die Regeln der Erbfolge und die gesetzlichen Übergangsvorschriften angewendet.

Aus dem Beschluss tritt jedoch nicht hervor, ob der Erblasser seinen Halbbruder gekannt hat. Sofern er dies nicht der Fall ist, was nicht ganz unwahrscheinlich ist, so wäre das Erbe einer Person zugefallen, von deren Existenz, geschweige denn Verwandtschaft er nicht gewusst hätte.

Dies mag zwar gelegentlich vorkommen – erscheint jedoch ein merkwürdiges Ergebnis im Hinblick darauf zu sein, dass es Verwandte des Erblassers gibt, die ihm im Alltag möglicherweise näherstanden.

 
Solche Konstellationen sind selten. Sicher vermeiden lässt sich dies jedoch nur durch eine Regelung mittels Verfügung von Todes wegen. Sie können mittels Testament Überraschungen beim Verwandtschaftsbestand erfolgreich entgegenwirken und die Verteilung ihres Vermögens ganz nach Ihrem Willen gestalten.
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