Die Andeutungstheorie hat im Erbrecht eine bedeutende Rolle. Hiernach können und müssen auch außerhalb des Testament liegende Umstände bei der Auslegung berücksichtigt werden. Die hierauf basierende, durch Auslegung zu ermittelte Verfügung des Erblassers, kann jedoch nur angenommen werden, wenn sie zumindest andeutungsweise im Testament> zu erkennen ist.

Dass es sich hierbei um eine sehr praxisrelevante Theorie handelt, bezeugt der Beschluss des OLG München vom 24.01.2017 zum Az. 31 Wx 234/16. Es hatte eine letztwillige Verfügung eines Landwirts zur Weiterführung seines landwirtschaftliches Betriebes auszulegen.

Der Landwirt, zugleichErblasser, hatte ein Testament hinterlassen, das folgende Verfügung enthält:

Im Falle meines plötzlichen Todes bestimme ich, A. R. Landwirt, meinen Bruder M. R. zum Alleinerben meines gesamten Besitzes (Haus, Hof, Feld u. Wald einschließlich alles lebenden und toten Inventares) sowie das Barvermögen. Das Barvermögen dient als Betriebskapital und ist wertbeständig der Landwirtschaft (Betrieb) dienlich zu verwenden. (Sollte meinem Bruder M. etwas zustossen ohne dass er hierfür einen Erben bestimmt hat sollte unter den Kindern meiner Geschwister einmal ein geeigneter Erbe gefunden werden.) Das Anwesen muss auf jeden Fall als Ganzes erhalten bleiben und weitergeführt werden. Meine Geschwister bitte ich in meinem und im Sinne meiner Eltern und Vorfahren um Verständnis.“

Eine Verwandte des Erblassers las aus diesem Wortlaut die Aufgabe für den erbenden Bruder, den landwirtschaftlichen Betrieb höchstpersönlich weiterzuführen.

Nachdem der Bruder jedoch nur noch den Wald bewirtschaftete und die landwirtschaftlichen Flächen an andere Landwirte verpachtet hatte, sah sie darin einen Verstoß gegen die Anweisung des Erblassers. Sie fochte das Testament des Erblassers wegen eines Motivirrtums an und erstrebte zugleich die Einziehung des an den Bruder erteilten Erbscheins.

Zu Unrecht, wie das Gericht befand.

Ausgehend von dem tatsächlichen Umstand, dass schon der Erblasser vor seinem Tod nur noch den Wald bearbeitete und ebenfalls schon verpachtete, sah sich das Gericht das Testament nochmal im Detail an und kam in dieser Gesamtschau zu dem Schluss, dass es gerade nicht um die persönliche Unterhaltung des Betriebes durch den Bruder ginge.

Darauf hindeutende (bzw. andeutende) Anhaltspunkte im [glossaryTestament[/glossary] sah es im Folgenden:

Die Bezugnahme auf die Vorfahren und die Eltern würden nahelegen, dass es dem Erblasser um die Tradition des landwirtschaftlichen Betriebes gegangen sei und nicht so sehr darum, wem der Betrieb insgesamt zufallen solle.

Diese Ansicht würde durch die Formulierung gestützt, „Das Anwesen muss auf jeden Fall als Ganzes erhalten bleiben.“.

Für eine Objektbezogenheit des Testaments spräche zudem, dass der Erblasser im Falle des Versterbens des bedachten Bruders, die Kinder seiner Geschwister als Erben einsetzen wollte, sofern diese zur Weiterführung geeignet seien.

Das Gericht zog jedoch nicht nur die geschriebenen Worte des Erblassers heran, sondern auch diejenigen, die er nicht zu Papier gebracht hatte:

Er habe keine Ausführungen zu der Art und Weise des Weiterbetriebes getroffen, sodass davon auszugehen sei, dass es ihm nicht so wichtig war und vielmehr der allgemeine Erhalt des Betriebes zum Zwecke der Landwirtschaft im Vordergrund stünde.

Hinsichtlich der verbleibenden Zweifel wies das Gericht auf die geltenden prozessualen Regeln der Beweislast: Derjenige, der sich auf eine für ihn positive Rechtsfolge beruft, muss ihre Voraussetzungen zweifelsfrei beweisen können. Vorliegend konnten diese Zweifel von der Anfechtenden nicht ausgeräumt werden.

Das Gericht hat an dieser Stelle deutlich gezeigt, dass das geltende Recht die Möglichkeit und Grundlagen hat, nicht nur stur nach geradlinigen Vorschriften auszulegen, sondern einen Sachverhalt in seiner Gesamtheit zu erfassen und zu bewerten. Mit anderen Worten: Es ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen.

Selbstverständlich kann eine solche Testamentsauslegung nicht immer eindeutige Ergebnisse liefern. Insofern ist es zur Vermeidung von Zweifeln sinnvoll, sich genau zu überlegen, welche Worte man an seine Erben im Rahmen eines Testaments richtet.

Hierbei helfen wir Ihnen gerne.

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